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3 TAGE IN QUIBERON

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„3 Tage in Quiberon“ beobachtet Romy Schneider in ihrer großen Lebenskrise. Ein tolles Ensemble, angeführt von Marie Bäumer, macht den Film zum Favoriten beim Deutschen Filmpreis.

„Ich darf an diesem Ort nicht essen, nicht trinken, nicht rauchen, nicht lachen, nichts…“, klagt Romy Schneider ihrer Freundin, während sie im Bett liegt – und raucht. Im März 1981 hat sich die in einer Lebenskrise steckende Schauspielerin zur (Entziehungs-)Kur in ein Nobelhotel in der Bretagne begeben. Um in der Notlage nicht allein zu sein, hat sie allerdings nicht nur eine Jugendfreundin eingeladen. Sie hat auch ein Interview mit dem „Stern“-Reporter Michael Jürgs und dem von ihr geschätzten Fotografen Robert Lebeck zugesagt.

Diese wahre Begebenheit, dokumentiert in der daraus hervorgegangenen Magazingeschichte und ihren berühmt gewordenen Bildern, hat Emily Atef (Buch und Regie) zu ihrem Romy-Schneider-Film inspiriert. Nach der gelungenen Premiere im Berlinale-Wettbewerb kommt „3 Tage in Quiberon“ nun in die Kinos – und könnte beim Deutschen Filmpreis in zwei Wochen auftrumpfen. Der Film ist in zehn Kategorien, darunter als bester Film sowie für die beste Regie, nominiert.

Das Vier-Personen-Kammerspiel ist darüber hinaus exquisit besetzt: Marie Bäumer spielt Romy Schneider, Birgit Minichmayr ihre Freundin Hilde Fritsch (für die es ein reales Vorbild gibt, die in der Ausgestaltung aber frei erfunden ist), Robert Gwisdek gibt Michael Jürgs, Charly Hübner verkörpert Robert Lebeck. Zu Recht sind auch alle vier Darsteller für den Filmpreis nominiert.

Dass eine Reduktion auf vier Figuren und drei Tage angesichts der Fülle des Materials über die Schauspiellegende Romy Schneider (1938-82) klug sein könnte, leuchtet sofort ein. Wobei die in elegischem Schwarz-Weiß fotografierte Seelenerkundung beileibe kein filmischer Wellness-Trip ist.

Mag der Auftakt mit dem Wiedersehen der beiden Frauen auch innig sein, mag das Ambiente des teuren Spa-Hotels, das seine Gäste qua Auftrag kurzhält, eine gewisse Komik ausstrahlen – die vielschichtige Krise Romy Schneiders legt eine Grund-Schwermut über die Szenerie: Die Schauspielerin fürchtet, ihren 14-jährigen Sohn an seinen Stiefvater zu verlieren, ihre Ehe steht vor dem Aus, sie ist pleite und betäubt den Schmerz mit Alkohol und Tabletten.

Vor allem aber die Interviewsituation löst Anspannung und Unwohlsein aus. „Frau Schneider, Sie sind eine Erregung öffentlichen Ärgernisses“, lautet Jürgs‘ Gesprächseinstieg, um direkt auf private Schicksalsschläge zu kommen, auf ihr ewiges Sissi-Image und den Kampf dagegen. Er wirft ihr vor, sie habe sich aus Deutschland „weggestohlen“, sei mit Alain Delon abgehauen“. Ein auch in seiner Borniertheit schwer verdauliches Verhör, obwohl klar ist, dass es nur stattfindet, weil die Schauspielerin von sich aus reden will.

Enorme Erleichterung bringt da Besuch einer Hafenkneipe. Eigentlich ist das Etablissement wegen einer Hochzeitsgesellschaft geschlossen, aber als der Patron Romy Schneider erkennt, bietet er ihr mit Freude einen Tisch an. Es gibt Champagner, Jugendliche wollen ein Autogramm, und dann kommt noch ein hübsch verwahrloster Poet dazu (eine Parade-Gastrolle für Denis Lavant). Es wird Akkordeon gespielt, getanzt – in einer einzigen Sequenz wird die ganze Ausstrahlung, der selbstverschwenderische Esprit der Romy Schneider greifbar. Und quasi nebenbei erklärt sich, warum sie in Frankreich leben konnte und in Deutschland nicht.

Dies einmal klargestellt, ist das Folgende zumindest leichter erträglich. Zwar macht Jürgs, der Jung-Journalist auf der Jagd nach dem Scoop, nicht gerade eine Wandlung zum Sympathieträger durch, versteht aber immerhin, dass er eine Künstlerin im Ausnahmezustand vor sich hat und ihr Vertrauen nicht missbrauchen darf. Charly Hübner als Lebeck ist ohnehin ein Quell der Warmherzigkeit, und Minichmayr verleiht ihrer mahnenden Hilde eine gut geerdete Natürlichkeit.

Höchste Zeit, sich Marie Bäumer genauer anzuschauen. Denn das ist ja auch eine Geschichte dieses Films: dass sie, die von Anbeginn ihrer Karriere mit Romy Schneider verglichen wurde (diese Ähnlichkeit!), es immer abgelehnt hat, die Ikone zu verkörpern – und es nun doch getan hat. Wer ihre Performance sieht, muss sagen: genau die richtige Entscheidung. Anders als in einem klassischen Biopic (wie etwa dem ARD-Film „Romy“ mit Jessica Schwarz) werden hier keine Lebensstationen abgehakt, keine Maske muss einen Alterungsprozess beglaubigen.

Sicher, manche Einstellungen sind Reprisen von Lebecks Fotos, und es fallen auch Originalzitate aus dem Interview. Aber Atef wollte die Ereignisse nicht eins zu eins nacherzählen. Sie verdichtet, dramatisiert und bewahrt sich so ihre künstlerische (Interpretations-)Freiheit.

Den Eindruck von Authentizität erzielt Emily Atef lieber durch den realistischen Umgang mit Sprache(n) – und da punktet Bäumer, die großenteils in Südfrankreich lebt, mit einem unangestrengten, überzeugenden Französisch. In den Gesprächen mit Hilde gelingt ihr auch ein leichter Wiener Zungenschlag, überhaupt wirkt sie ganz bei sich, schöpft ihre Romy, taumelnd zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, fühlbar aus sich selbst heraus.

Die „Stern“-Geschichte aus dem Sanatorium war Romy Schneiders letztes veröffentlichtes Interview. Wenig später starb ihr Sohn auf tragische Weise, danach sie selbst mit nur 43 Jahren. Im kommenden Herbst wäre sie 80 geworden. „3 Tage in Quiberon“ ist eine starke, berührende Erinnerung an sie.

(aus „Spiegel online“)

 


Details

Schauspieler: Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Robert Gwisdek, Yann Grouhel, Denis Lavant
Regie: Amily Atef
Genre: Drama
Länge: 116 Min.
Alterszulassung: ab 12 Jahre
Land: Deutschland
Erscheinungsjahr: 2018

 


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