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DIE GÖTTLICHE ORDNUNG

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Die alte Demokratie hatte Angst vor Dosenravioli: Erst 1971, viel später als die meisten Staaten, führte die Schweiz das Wahlrecht für Frauen ein. Die Komödie dazu wurde ein großer Kinohit.

Nora sagt: „Ich würde gerne außer Haus arbeiten. Und das kann Hans mir einfach verbieten.“ Hans sagt: „Ich mach dir noch mal ein Kind, dann ist dir nicht mehr so langweilig“. Dialoge wie diese sind nun im Kino zu hören. Petra Volpes Tragikomödie „Die göttliche Ordnung“ ist der Schweizer Kinohit des Jahres und erzählt von den Zeiten, als „Emanze“ noch ein Schimpfwort und die berufstätige Frau ein teuflischer Zustand war, der im Volksglauben mit Dosenravioli (nicht unter drei Büchsen) für den Vater und die beiden Söhne bestraft wurde.

Wir schreiben das Jahr 1971 in der ländlichen Schweiz – und haben direkte Demokratie in jedem Dorf, aber nur für Männer. Nun sollen diese Männer darüber abstimmen, ob ihre Frauen, denen sie bislang verbieten dürfen, eine Arbeit aufzunehmen – bei dieser Sache namens Demokratie mitmachen dürfen. Die Ausgangskonstellation ist reizvoll: Die Schweiz ist eine der ältesten Demokratien der Welt, aber einer der letzten europäischen Staaten, die das Frauenwahlrecht einführten. 1971 ist superspät im Vergleich zu Finnland (1907), Deutschland (1918), ja selbst Macho-Italien (1945).

Vielleicht fehlten dem Alpenstaat im 20. Jahrhundert die Kriege, Revolutionen und damit verbundenen gesellschaftlichen Erschütterungen, die den Frauen zu einer oft nur kompensatorischen, im Effekt dann aber doch emazipatorischen Rolle verhalfen. Jedenfalls waren es ja anderswo auch nicht unbedingt frauenfreundliche Regime, sondern äußerliche Ereignisse, die die Dinge für die Frauen voranbrachten.

Dass es eine Komödie über die Einführung des Frauenstimmrechts auf Anhieb unter die zehn erfolgreichsten Schweizer Filme aller Zeiten geschafft hat, erzählt für sich schon etwas über die DNA eines manchmal anachronistischen Landes.

Man ist hier in Teilen bis heute bauerndickschädelstolz auf einen gewissen Konservatismus. Gleichzeitig hat die Schweizer Regisseurin Petra Volpe einen durchaus gefälligen Film gedreht. Manche finden sogar, dass „Die Göttliche Ordnung“ die „lustvollste einheimische Geschichtslektion“ seit den „Schweizermachern“ sei. Die Schweizermacher, das waren Emil Steinberger und sein Kollege von der Fremdenpolizei.

Einbürgerung und Bürgerrechte gehören zu den elementaren Selbstbildern eines sich als alte Demokratie begreifenden Landes, und so tut der Film naturgemäß richtig daran, seine Handlung in ein Appenzeller Dorf zu verlegen, den Schweizer Inbegriff für Konservatismus. Auf kantonaler Ebene war Appenzell jenes Fleckchen der Schweiz, das die Demokratie für Frauen am liebsten gar nicht einführen wollte, weswegen der bauerndickschädelsture Kanton vom Schweizer Bundesgericht 1990 dazu gezwungen wurde.

Volpes Film spielt aber schon 1971: Die Welt ist seit den 1968er-Revolten weltweit in Aufruhr, aber in der Schweizer Idylle am Rand der hohen Berge geht das Leben seinen puppenstubenartigen Gang der geregelten Dinge.

Als „göttliche Ordnung“ im titelgebenden Sinne gilt, was immer war. „Frauen in der Politik sind gegen die göttliche Ordnung“, sagt die einzige Frau im Dorf, die was zu sagen hat – als Erbin einer Sägerei. Wo noch nicht einmal die Frauen selbst für Frauenrechte sind, erzählt Volpe die Emanzipation als einen kollektiven und persönlichen Bildungsroman.

Die grüne Nora reift vom Mauerblümchen und Heimchen am Herd zur selbstbewussten Frau (überzeugend verkörpert von Marie Leuenberger). Einen seiner komödiantischen Höhepunkte (hier durchaus anknüpfend an „Die Schweizermacher“) nimmt „Die Göttliche Ordnung“, als Nora mit anderen Dorffrauen zur Frauenrechte-Demo nach Zürich reist.

Auf einem „Female Power“-Workshop offenbart das Frauenstimmrecht seine sexuelle Seite: „Ich habe einen Tiger zwischen den Beinen und noch nie einen Orgasmus gehabt“, lernt Nora. Ihr Mann Hans hingegen (melancholisch überzeugend: Max Simonischek) wird vorübergehend Hausmann, als die Frauen unter Führung seiner eigenen streiken. Eine ganze Weile lang spielt das Schweizer Dorf „Lysistrata“, bis die Männer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Streikbrecher werden – und der Film nochmals eine dramatische Wendung nimmt.

 

(aus „Die Welt“)

 


Details

Schauspieler: Marie Leuenberger, Maximilian Simonischek, Rachel Braunschweig u.a.
Regie: Petra Biondina Volpe
Genre: Drama und Komödie auf geschichtlichem Hintergrund
Land: Schweiz
Länge: 96 Min.
Altersfreigabe: ab 6 Jahre
Erscheinungsjahr: 2017


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