Image Image Image Image Image
Scroll to Top

To Top

Menü
Mehr Infos
Read More

LICHT – Nominiert für den österreichischen Filmpreis 2018

Inhalt

Maria Dragus brilliert als blinde Musikerin, die gegen eine bornierte Gesellschaft ankämpft.

Die Augen rollen hin und her, der Mund verzieht sich, das Haupt ruckelt vor und zurück: Maria Theresia Paradis spielt Klavier. Das innere Schauspiel – die ekstatischen Gemütsbewegungen, die die Virtuosin auf ihr Musikinstrument überträgt – bleibt jedoch unerkannt. Ihr Publikum, die feinen Damen und Herren der besseren Wiener Gesellschaft um 1770, sehen nur das Äußere, die Zirkusnummer, die Freakshow: Eine blinde Pianistin, magnifique! Andere spielen zwar besser, tuschelt man, aber die sind halt nicht blind. Die Kombination aus Begabung und Erkrankung hat Paradis, die im Kindesalter ihr Augenlicht verloren hat, Berühmtheit gebracht – und eine Gnadenpension von der Kaiserin höchstpersönlich.

Die Eltern sind damit durchaus zufrieden. Sie tingeln durch die Salons und führen ihre aufgemascherlte Tochter vor wie ein exotisches Tier.

Um Heilung bemühen sie sich trotzdem. Bislang brachte das jedoch nur Unglück. Die unterentwickelten Behandlungsmethoden der Fachärzte hinterließen Paradis mit wunder Kopfhaut, ausgetrockneter Nase und angeschlagenem Selbstbewusstsein. Zeit für Alternativmedizin: Die Therapien des Magnetiseurs Franz Anton Mesmer sind zwar umstritten, aber sehr im Schwange – vielleicht hat er ja eine Lösung parat. „Alles ist besser als das da“, sagt Papa Paradis mit Fingerzeig auf seine Resi. Man merkt schon: Diese junge Frau braucht keine Kur, sie braucht Menschlichkeit. Und Mesmer ist vielleicht kein Wunderheiler, aber an Einfühlungsvermögen mangelt es ihm nicht.

Barbara Alberts jüngster Film, „Licht“, der im September beim Filmfestival Toronto uraufgeführt wurde und heute im Rahmen der Viennale Österreich-Premiere feiert, erzählt von zwei gescheiterten Befreiungsversuchen. Jener des Freidenkers Mesmer von der Borniertheit seiner Zeitgenossen und, mit mehr Nachdruck, jener von Maria Paradis von der Degradierung zum aparten Objekt.

Ob Mesmers Ideen von der unsichtbaren Kraft des „Fludiums“ die Hirngespinste eines Esoterikers waren und ob sich Paradis als Musikerin und Komponistin mit etablierten Größen messen konnte, spielt dabei kaum eine Rolle. Spannend sind die beiden Figuren für Albert vor allem als Träger eines verschobenen Blickwinkels; weil sie aufgrund ihrer Vision respektive Blindheit nicht anders können, als die Widersprüche und Absurditäten der verblendeten Gesellschaft infrage zu stellen.

Der Heilungsprozess, den Mesmer bei Paradis in Gang gesetzt haben soll, rührt im Film weniger vom Handauflegen her als von Nähe, Aufmerksamkeit und der Schaffung eines Freiraums zur persönlichen Entfaltung, der ihr von den (übertrieben karikaturesk gezeichneten) Ego-Eltern verwehrt wurde. Im Zuge von séanceartigen Magnetsitzungen kann sich die verzärtelte, verlegene und verklemmte 18-Jährige gesundschreien. Bald kann sie grobe Schemen erkennen, Freiheit und Glück scheinen in greifbare Nähe zu rücken. Doch die Umwelt schlägt spornstreichs zurück: Die Rückkehr ihres Sehvermögens macht Maria erneut zur „Sensation“, begafft von Medizinern und Soiree-Gästen.
„Wie eine Amerikanerin aus dem kanadischen Urwald“, heißt es nun. „Ganz unverbildet!“ Und Mesmer, der nach offizieller Anerkennung ringt, nutzt das aus.

Schnell zeigen sich weitere Schattenseiten der Erleuchtung: Kaum hat Maria begonnen, den neuen Sinn für sich zu erschließen, soll er ins ästhetische Korsett (als sie beim Spaziergang etwas Dreck bestaunt, wird sie flugs korrigiert: Das sei Mist und folglich gar nicht schön). Überdies dämmert ihr, dass sie mit ihrer Blindheit auch ihrer sozialen Sonderstellung verlustig geht. Aus solchen Widersprüchen zieht „Licht“ ein Gros seiner Dramatik. Und obwohl der Film als Porträt des Wiener Bürgertums im 18. Jahrhundert sehr um Authentizität bemüht ist – im bunt-schnörkeligen Rokoko-Aufputz von Kostüm und Kulisse ebenso wie in der Gespreiztheit der Sprache – verweist seine Kritik an einer patriarchalen, von eklatanten Ungleichheiten, Klatsch- und Geltungssucht geprägten Welt klar in die Gegenwart. Nur heißen die Feministen und Chauvinisten hier eben „Spermisten“ und „Ovulisten“.

Angesichts dessen fällt es schwer, den Vergleich zu Jessica Hausners motivisch sehr ähnlichen „Amour Fou“ (über die verhängnisvolle Beziehung zwischen Heinrich von Kleist und Henriette Vogel) zu meiden; formal fällt „Licht“ mit seinen flirrenden Berührungsbildern, die Marias gedämpfte Wahrnehmung vermitteln sollen, aber doch ganz anders aus – und ist letztlich ungeachtet aller Rückschläge hoffnungsvoller. Seine größte Stärke bilden ohnehin die beiden Hauptdarsteller: Devid Striesow gibt Mesmer mit der kantigen Souveränität eines Maverick, der schon viel einstecken musste und trotzdem nicht ganz verbittert ist, während Maria Dragus (zuletzt zu sehen in „Tiger Girl“ von Jakob Lass) mit nervösem Mienenspiel und erratischer Körpersprache dem Film einen unnachahmlichen Stempel aufdrückt.

(aus „Die Presse“)

 

Frei nach dem Roman »Am Anfang war die Nacht Musik« von Alissa Walser erzählt Barbara Albert die schicksalhafte Geschichte des Wunderheilers Franz Anton Mesmer und seiner berühmtesten Patientin Maria Theresia Paradis.

Wien, 1777. Die früh erblindete 18-jährige Maria Theresia »Resi« Paradis ist als Klavier-Wunderkind in der Wiener Gesellschaft bekannt. Nach zahllosen medizinischen Fehlbehandlungen wird sie von ihren ehrgeizigen Eltern dem wegen seiner neuartigen Methoden umstrittenen Arzt Franz Anton Mesmer anvertraut. Langsam beginnt Resi in dem offenen Haus der Mesmers, zwischen Rokoko und Aufklärung, im Kreise wundersamer Patienten und dem Stubenmädchen Agnes, das erste Mal in ihrem Leben Freiheit zu spüren. Als Resi infolge der Behandlung erste Bilder wahrzunehmen beginnt, bemerkt sie mit Schrecken, dass ihre musikalische Virtuosität verloren geht…

REGIESTATEMENT
Als ich der Figur der Maria Theresia Paradis das erste Mal begegnet bin, war ich sofort von ihr eingenommen. Die hochbegabte und sensible, von ihren ehrgeizigen Eltern und der Gesellschaft herumgeschubste, vermeintlich unattraktive Resi hat mich berührt und fasziniert – wie auch die Einblicke in die bürgerliche und aristokratische Welt des Wiener Rokoko. So erzählt LICHT von einem gesellschaftlichen System, das auf Verhinderung und Unterdrückung aufgebaut ist – und von Frauen, die versuchen, damit zurechtzukommen und ihren eigenen Raum und ihre Freiheit innerhalb dieser restriktiven Strukturen zu finden. Ich möchte LICHT nicht als Flucht in eine Ästhetik der Vergangenheit verstanden wissen, vielmehr widmet sich der Film Grundfragen der menschlichen Existenz: der fortwährenden Spannung zwischen Unterordnung und Anpassung, und der Sehnsucht, sich über das Gewöhnliche zu erheben, letztlich unsterblich zu werden. Und darüber hinaus dem Wert des Menschen an sich. Nicht zuletzt kreist alles in LICHT um die Wahrnehmung und deren Flüchtigkeit. Es geht um den Blick und ums Sehen, um diejenigen, die gesehen werden, und diejenigen, die schauen.
Barbara Albert, prämiert für ihr Debüt NORDRAND und Mitbegründerin der Produktionsschmiede coop99, meldet sich fünf Jahre nach DIE LIEBENDEN als Regisseurin zurück. Auch in LICHT ist eine junge Frau auf der Suche nach ihrer Identität. Erstmals erzählt Albert eine Geschichte aus der Vergangenheit. Sie basiert auf Tatsachen und spielt im Wien des 18. Jahrhunderts. Theresia ist von Kindheit an blind, aber ein großes Talent am Klavier, das von ihren Eltern gefördert und der adeligen Gesellschaft gerne präsentiert wird. Nur wer etwas kann, wird anerkannt. Nur wer sieht, wird gesehen, wie Theresia von ihrer Mutter und ihren Altersgenossinnen eingeschärft bekommt. Sie wird von einem Arzt bzw. Wunderheiler zum nächsten geschickt. Der neueste ist Mesmer. Er nimmt sie als Mensch ernst, stellt ihr Fragen, bis sie nicht mehr nur vorgefertigte Antworten gibt. Er berührt sie. Sie will ihm gefallen, will sich in die Gesellschaft einfügen und sehen. Und sie beginnt tatsächlich Licht zu sehen, die Welt wie ein Kind für sich zu entdecken und sich zu freuen. Zusammen mit Mesmer wird sie zur Attraktion, zum Wunder. Eine Zeit lang. Albert zeichnet die bessere Gesellschaft, aus der ihre Hauptfigur kommt, als oberflächlich, tratschsüchtig, scheinheilig, abergläubisch und vor allem wie ihre Perücken und Kleidung mit Korsetts usw. steif und einengend, zeigt den Hokuspokus, die abstrusen Séancen des Arztes, die hysterischen Reaktionen seiner Patientinnen, aber auch, wie sich Vertrautheit und Freundschaft zwischen Theresia und ihrer Kammerzofe Agnes entwickelt. Die wird beendet, als Agnes, schwanger geworden, das Haus des Doktors und seiner wohlhabenden Frau verlassen und Theresia zurück zu ihren Eltern muss. Das Licht, der Lichtblick für Theresia – und gleichzeitig das Gefühlszentrum des Films –, ist die Musik, in der die junge Frau am Klavier oder singend aufgeht und mit der sie andere Menschen berühren kann. Im Abspann des sorgfältig ausgestatteten Kostümdramas erfährt man, dass Theresias historisches Vorbild ihr Leben als Komponistin und Lehrerin der Musik gewidmet, sich emanzipiert hat. Ein zeitloses Thema, das die renommierte Filmemacherin als einprägsames Coming-of-Age-, Selbstfindungs- und Gesellschaftsdrama mit einem Hauch von Humor erzählt.

(aus „Moviemento“)


Details

Schauspieler:  Maria Dragus, Devid Striesow, Lukas Miko, Katja Kolm, Maresi Riegner, Susanne Wuest
Regie:  Barbara Albert
Genre: Historiendrama
Länge: 97 Min.
Alterszulassung:  ab 12 Jahre
Land: Österreich
Erscheinungsjahr: 2017


Spielzeit