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MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN

Inhalt:

In der Musical-Krimikomödie „8 Frauen“ (2002) konfrontierte der 1967 in Paris geborene Regisseur François Ozon auf Basis eines Theaterstücks von Robert Thomas einige der bekanntesten französischen Schauspielerinnen, darunter Catherine DeneuveIsabelle Huppert und Fanny Ardant, auf einem abgelegenen Landsitz in bester Agatha-Christie-Manier mit einem Mord. Auch in seinem neuen Werk „Mein fabelhaftes Verbrechen“ stehen weibliche Figuren – diesmal ein Trio – im Zentrum. Abermals geht es um einen Todesfall. Und wieder beruht das Skript auf einer Bühnenvorlage: Mon Crime (1934) von Georges Berr und Louis Verneuil.

Im Mittelpunkt des Geschehens befinden sich die Mitbewohnerinnen Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz) und Pauline Mauléon (Rebecca Marder), die mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Sie sind mit mehreren Monatsmieten im Rückstand; der Hausbesitzer übt gehörig Druck aus. Doch Madeleine, die mittellose Schauspielerin, und Pauline, die arbeitslose Anwältin, scheinen einfach kein Glück zu haben. So will Madeleines Freund André Bonnard (Édouard Sulpice) eine andere Frau heiraten, da sein Vater (André Dussollier), ein reicher Unternehmer, Madeleine niemals für eine gute Partie halten würde. Sacrebleu!

Und dann droht alles sogar noch schlimmer zu kommen: Ein Produzent, der Madeleine in seiner Villa bedrängt hat, wird mit einer Kugel im Kopf aufgefunden. Die Hauptverdächtige? Natürlich Madeleine! Statt alles abzustreiten, entwickeln die beiden Frauen indes einen kühnen Plan: Madeleine gesteht die Tat, die sie nicht verübt hat, gegenüber dem überheblichen Ermittlungsrichter Rabusset (herrlich: Fabrice Luchini) – und plädiert vor Gericht mit Pauline als Verteidigerin auf Notwehr. Madeleine wird freigesprochen und avanciert zum gefragten Kinostar. Plötzlich taucht allerdings die Stummfilmdiva Odette Chaumette (Isabelle Huppert) auf, die das Verbrechen tatsächlich begangen hat und sich nun um den ihr gebührenden Ruhm betrogen fühlt.

In seinem rasanten Tempo lässt Mein fabelhaftes Verbrechen an die Screwball-Komödien jener Ära denken, in der die Handlung angesiedelt ist. Die Künstlichkeit des Stoffes wird sowohl vom Drehbuch als auch von der Inszenierung stets betont. Die Figuren sind bewusst überzeichnet und neigen zum Pathos („Ich bin seit 24 Jahren unglücklich!“). Wenn der (mögliche) Tathergang geschildert wird, fangen Ozon und sein Kameramann Manu Dacosse die Rückblenden in überbelichteten Schwarz-Weiß-Bildern auf 16-mm-Film im Seitenverhältnis 4:3 ein, um die Anmutung eines Stummfilms zu erzeugen. Die übrigen Sequenzen des Werks sind derweil farbenfroh-poppig – und damit nicht zuletzt eine Feier des aufwendigen Produktions- und Kostümdesigns.

Wie schon in seinem großen Hit aus dem Jahre 2002 nutzt Ozon auch hier sehr clever das Genre der (Krimi-)Komödie als Plattform für Gesellschafts- und Sozialkritik. Der wendungsreiche Plot und die superben Dialoge des beinahe 90 Jahre alten Theaterstücks werden mit modernen Aspekten verbunden, indem Themen wie Sexismus und Machtmissbrauch im Kulturbetrieb stärker in den Fokus rücken. Bei aller Nonchalance, mit der das Treiben dargeboten wird, vermögen die Spitzen auf die noch immer existierenden Zustände, denen sich insbesondere junge Schauspielerinnen in der Branche ausgesetzt sehen, doch zielsicher zu treffen. In den artifiziellen Kulissen und der prächtigen Ausstattung lässt sich somit nicht nur stilvolle Spielerei, sondern auch viel Wahrheit entdecken.

Die Protagonistin Madeleine erweist sich als geborene Schauspielerin, wenn sie etwa im Gerichtssaal ihr Publikum sowie die Geschworenen zu begeistern versteht. Auch in diesen Momenten finden Theatralik und Wahrhaftigkeit perfekt zueinander. Nadia Tereszkiewicz und ihre Kolleginnen Rebecca Marder und Isabelle Huppert ziehen uns mit ihrer spürbaren Spielfreude in die bunte, nostalgisch wirkende Kinowelt hinein, um uns dort dann lustvoll, aber bestimmt auf aktuelle Bezüge hinzuweisen.

 (aus „KINO-ZEIT“)

Paris in den 1930er Jahren: Die arbeitslose Schauspielerin Madeleine (Nadia Tereszkiewicz) wohnt zusammen mit ihrer Freundin Pauline (Rebecca Marder), einer frischgebackenen, unterbeschäftigten Rechtsanwältin, in einer winzigen Mansardenwohnung. Ihre Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, denn trotz aller Bemühungen sind sie schon wieder mit der Miete im Rückstand.

Eines Tages taucht die Polizei bei ihnen auf. Grund: Der Theaterproduzent, mit dem Madeleine verabredet war, wurde ermordet. Madeleine beteuert ihre Unschuld. Doch dann hat Pauline eine Idee, und nach längerer Überlegung legt Madeleine ein Geständnis ab. Sie gibt zu, dass sie in Notwehr zur Waffe gegriffen hätte, als der Produzent über sie herfiel. Das Kalkül der pfiffigen Pariserinnen: Mit ein bisschen Glück kommt Madeleine straffrei davon. Wenn überhaupt gibt es eine sehr niedrige Strafe. Auf jeden Fall wäre Madeleine wochenlang in den Schlagzeilen, und medialer Ruhm bedeutet Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit bedeutet Rollenangebote, Arbeit und Geld. Madeleines Karriereaussichten würden sich in schwindelerregende Höhen steigern. Prinzipiell das gleiche gilt für Pauline, die sich mit diesem Fall als erfolgreiche Strafverteidigerin profilieren könnte. Tatsächlich scheint es, als ob der Plan der beiden aufgeht – nach ihrem triumphalen Freispruch kann sich Madeleine vor Rollenangeboten kaum retten. Doch bald darauf meldet sich unerwartet eine neue Zeugin, Odette Chaumette (Isabelle Huppert), eine ehemalige Stummfilm-Diva. Ihre Aussagen könnten alles gefährden, was sich Madeleine und Pauline aufgebaut haben.

Der vielbeschäftigte und bereits mit allen Komödienwassern gewaschene François Ozon (siehe zum Beispiel „8 Frauen“ und „Das Schmuckstück“) macht aus dem gleichnamigen Theaterstück, das zuerst 1937 mit Carole Lombard verfilmt wurde, eine herrlich leichtfüßige, charmante Krimikomödie, die nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch intelligent – ein großer Spaß für Herz und Verstand. Das liegt zum einen an den vielen hübschen Einfällen, die auch gelegentlich ironisch aktuelle Entwicklungen kommentieren, und an zahllosen spielerischen Elementen, die so liebevoll ausgewählt sind, dass nicht nur den Arthouse-Fans das Herz aufgeht. Da wird zwischen Schwarz-Weiß und Farbe gewechselt, es gibt Verweise auf den Stummfilm, auf Screwball-Comedys der 30er und 40er Jahre und auf das klassische französische Kino. Der Gesamteindruck ist gelegentlich so elegant und nostalgisch, als ob sich François Ozon mit Ernst Lubitsch und Jean Renoir auf ein Gläschen Champagner in einem Pariser Bistro verabredet hätten, um ein wenig über Komödien zu plaudern. Ozon mixt aus der Handlung ein erlesenes Spektakel, das in Schwung und Witz manchmal an „Chicago“ erinnert: ohne Gesang, aber mit einem durchkomponierten Soundtrack. Auch hier geht es um Mord und Medien, um einen Gerichtsprozess sowie um Frauen, die sich in der Männerwelt behaupten wollen. Doch hier stehen die beiden Hauptpersonen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie ergänzen sich. Die Jungstars Nadia Tereszkiewicz und Rebecca Marder als Madeleine und Pauline harmonieren dabei perfekt. Ihren natürlichen Charme und ihr komisches Talent können sie unter anderem in prima witzigen Dialogen beweisen, wobei Nadia Tereskiewicz die größeren Aufgaben übernimmt. Sie spielt Madeleine mit viel Emotion und latenter Gerissenheit, während Rebecca Marder als Pauline sämtliche Männer ihrer Umgebung verbal in die Tasche steckt. Und dann ist da noch die große Isabelle Huppert: Sie bringt im zweiten Teil, gerade rechtzeitig, bevor die Handlung erlahmen könnte, einen weiteren Typ Frau ins Spiel: die alternde Diva, die mit leisem Zynismus und durchaus selbstironisch mit ihrer Situation hadert. Dabei scheint Isabelle Huppert mit den Jahren immer zarter, aber gleichzeitig energischer zu werden. Hier erinnert sie an ein kämpferisches Singvögelchen – der hübsche, kleine Kopf ist ständig in Bewegung, die großen Augen aufmerksam wie eh und je. Mit Schwung und Grandezza zeigt sie den beiden jungen Kolleginnen, wo der Hammer hängt – eine schauspielerische und komische Glanzleistung.

Es gibt aber nicht nur viel zu lachen, sondern auch viel zu sehen: Die glamouröse Ausstattung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. François Ozon durfte hier offenbar so richtig im Luxus schwelgen. Er schafft damit eine einzigartige Atmosphäre und macht aus dem Paris der 30er Jahre eine Metropole der Gegensätze. Doch der gelungenste Coup dieses Films ist sein Thema: der Kampf der Frauen gegen die männliche Vorherrschaft. Ozon entwickelt aus dem ehemaligen Boulevardstück eine Geschichte über zwei Frauen als frühe #MeToo-Vorkämpferinnen, die eine zutiefst korrupte Männerwelt entlarven. Dany Boon ist als bestechlicher Architekt beinahe noch harmlos. Schon problematischer ist der dämliche, aber gefährliche Untersuchungsrichter, den Fabrice Luchini mit viel Elan spielt. Die meisten Männer sind hier entweder geldgierige Machtmenschen oder gutgläubige Idioten, so wie Madeleines leichtlebiger Verehrer André (Édouard Sulpice) oder dessen Vater (André Dussolier). Da wird vor Gericht von der „Ehre der Justiz“ geschwafelt, doch tatsächlich geht es weder um Gerechtigkeit noch um Wahrheit, sondern um die baldige Beförderung. Madeleines angebliche oder reale Tat – immerhin wollte sie ihre Unschuld beschützen – könnte sie zur Märtyrerin machen, doch der Staatsanwalt beantragt für sie die Todesstrafe, und zwar zur Abschreckung, denn sonst würden womöglich noch mehr Frauen auf die Idee kommen, Männer zu ermorden. Mit teils offenen, teils doppelbödigen Verweisen auf aktuelle Strömungen macht François Ozon seine beiden Heldinnen zu Vorkämpferinnen eines sehr charmanten, französischen Feminismus, gepaart mit einem teilweise angenehm boshaften Humor. Und da kann man wirklich nur noch eines sagen: Chapeau, Monsieur Ozon!

(aus „Programmkino.de“)


Details:

Mit:  Isabelle Huppert, Dany Boon, Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Fabrice Luchini, André Dussollier
Regie:  François Ozon
Genre: Komödie
Länge: 102 Min.
Alterszulassung: Ab 12 Jahre
Land: Frankreich
Erscheinungsjahr: 2023


Spielzeit:

Mittwoch,        4. Oktober           18.15 Uhr  (Saal 1)