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Kino Katsdorf

MARIA

Ein Porträt der Opernsängerin Maria Callas (1923-1977), fokussiert auf ihre letzten Lebenstage im September 1977 in Paris. Entgegen ärztlichem Rat will die Sängerin zusammen mit einem Pianisten ein letztes Mal ihrer Stimme den Klang von „La Callas“ abringen. Einem Journalisten gewährt sie überdies Einblicke in ihr Leben. Eine opernhafte Hommage, in der sich Callas bis zum Schluss als Regisseurin ihres Lebens imaginiert. Herausragend sind auch die akribischen Rekonstruktionen ihrer legendären Bühnenauftritte, eine dramaturgisch kluge Musikauswahl und die technische Perfektion, mit der der Hauptdarstellerin die unvergessliche Stimme der Sängerin in den Mund gelegt wird. – Sehenswert ab 14.

INHALT:

Regisseur Pablo Larraín vollendet seine Trilogie der prominenten Tragödinnen mit „Maria“ und Angelina Jolie als Opern-Ikone Maria Callas. Eine Filmreise durch den Kopf einer Diva
Am Anfang war das Ende, also der Tod. Es liegt Maria Callas mit weißem Laken verhüllt im Wohnzimmer ihres Pariser Domizils in der Avenue Georges-Mandel. Um sie herum Polizisten, medizinisches Transportpersonal und die konsternierte Ersatzfamilie, Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino) und Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher). Mit dieser stillen Szene setzt Regisseur Pablo Larraín in Maria den düsteren Rahmen für den letzten Teil seiner Filmtrilogie über tragische Diven. Nach Jackie über die einstige First Lady Jackie Kennedy und Spencer über Prinzessin Diana verdichtet Larraín die letzte Woche einer Primadonna, die Opernhäuser und Klatschspalten füllte, zu einer Art Fantasytragical.

Das mit der Realität spielende Endzeit-Biopic springt nach der Todesszene zurück in den Lebensalltag einer von Medikamenten kontrollierten Frau, die sich scheinbar zu neuen Taten aufzuraffen scheint. Die Hoffnung währt für Außenstehende natürlich nur kurz. Während der Zubereitung eines Omelettes muss die kochende Bruna die Casta Diva-Arie aus Norma erdulden. Callas singt sie in der Küche brüchig mit dem Rest ihrer Stimme, um eine ehrliche Meinung einzuholen. Mitleidvoll haucht Bruna der Dienstgeberin Hoffnung spendend entgegen, es sei ihr Gesang wunderbar.

Hier ist der Film noch auf der Schiene „Das Leben als Selbstlüge“ unterwegs. Die prunkvolle Wohnung symbolisiert – mit Erinnerungsstücken überversorgt – Erfolge früherer Tage und ist damit zugleich ein Museum, in dem die glorreiche Vergangenheit als Gegenwart konserviert wirkt. Für Maria ist ihr Privatpalast nostalgisch gepolsterter Schutzraum und zugleich Herrschaftsraum, in dem sie divenhaft Kontrolle simuliert und – je nach Laune – ihre zwei dienenden Schutzengel mit Dank überschüttet oder triezt.

Ferruccio hat der Diva empfohlen, mit Pillen vorsichtig umzugehen und den Arzt zu empfangen. Zur Strafe muss er den unbenutzten Konzertflügel trotz chronischer Rückenschmerzen von einem Prunkraum in den anderen schieben. Anderntags will Maria ihn dann ehren. Der Titel ihrer Biografie soll „Der Tag, an dem Ferruccio mir das Leben rettete!“ heißen. „Welcher Tag soll das gewesen sein, Madame?“, fragt er. „Jeder Tag“, antwortet die Primadonna assoluta großherzig.

An ihr scheint es auch großes Interesse zu geben: La Divina empfängt einen jungen Reporter in diesen Räumen, die in eine altehrwürdige Tosca-Inszenierung übertragbar wären. Hier naht allerdings der Kipppunkt des Films. Der Reporter nennt seinen Namen, er heißt Mandrax, also wie jenes Hypnotikum, das Maria zu ausgiebig konsumiert. Ab da ist klar: Hier ist längst eine wahnhafte Abkopplung von der Realität im Gange. Eine ramponierte Existenz deliriert sich fortan durch Paris und tagträumt sich per Flashbacks durch Stationen ihrer Biografie.

Auf der Straße singt ihr ein Chor entgegen, spielt für sie ein Orchester, während sie in Rückblenden auf der Yacht in Schwarz-Weiß glückliche Tage mit Aristoteles Onassis verbringt. Seltsamerweise wird die Zweisamkeit von Wagners Parsifal-Vorspiel umweht, während Marias Erscheinen an Onassis‘ Totenbett mit dem Vorspiel der finalen Cavaradossi-Arie E lucevan le stelle aus Puccinis Tosca unterlegt wird. In kurzen Szenen trifft Maria auch ihre Schwester. Sogar Präsident Kennedy, dessen Witwe Onassis im Gegensatz zu Callas heiraten sollte, begegnet ihr im Kaffeehaus.

Doch real mutet nur der Besuch des Korrepetitors an, mit dem Maria ein Comeback anbahnt. Hier werden die glanzvollen Sangesmomente der echten Callas mit der Reststimme, die Angelina Jolie gut und fragil umsetzt, collagenartig gegenübergestellt, um den Schmerz des Verlusts an vokalen Möglichkeiten, den es bei der Callas auch wirklich gab, zu intensivieren.

Dramatische Zusammenbrüche erspart einem der Film allerdings, wofür zu danken ist. Paradoxerweise verleiht gerade die skulpturale Darstellungskunst Jolies dieser Maria abseits tränenreichen Kitschs menschliche Würde. Maria geht erhobenen Hauptes durch eine selbstkreierte Traumwelt. Ob Onassis sie mit dem Satz „Ich bin hässlich, aber reich“ anbaggert, ob enttäuschte Fans sie im Kaffeehaus anklagen, da sie einst Auftritte abgesagt hat: Sie bleibt eine unbeugsame Tragödin, eingefangen in einem Film, der langsam, aber sicher fast jener Endzeitbeklemmung von Lars von Triers Melancholia nahekommt. Ein letztes, durchaus passendes Aufbäumen im Privatpalast: Mit der Tosca-Arie Vissi d’arte, in der die Hauptfigur der Oper, eine Sängerin, ihr Bekenntnis zu einer Existenz als Künstlerin offenbart, scheint die Person Maria zu verlöschen.

Maria ist keine platte, beschönigte Filmbiografie. Sehr wohl vermittelt der Film, was es heißen kann, zu verlieren, was einen ausmacht. In diesem Fall jenes Instrument, das Teil der Person wurde: die Stimme. Jene der Callas war nicht die schönste. Aber ihre Intensität, ihre Virtuosität waren immer begleitet von der Fähigkeit, Arien zu Minidramen zu formen. Mit unverwechselbar dunkel-herbem Timbre hat die Callas der Oper, der künstlichsten aller Kunstformen, die Aura des Realen, Echten verliehen. Insofern ist es ironisch passend, wenn Maria im Film, in einem Akt der letzten Selbstermächtigung, trotzig behauptet: „Ich sage, was real ist!“

(aus „DER STANDARD“

 

DETAILS:

Schauspieler: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba, Rohrwacher, Haluk Bilginer, Kodi Smit-McPhee, Valeria Golino
Regie: Pablo Larraín
Genre: Biopic,  Drama
Dauer: 124 Min
Zulassung:  ab 10 Jahre
Land: Italien/Deutschland/USA
Erscheinungsdatum: 2024

 

SPIELZEIT:

Montag,          28. April           20.15 Uhr  (Saal 2)