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Kino Katsdorf

VERMIGLIO

Dieses unwiderstehliche Porträt eines fast verschwundenen Lebens in den Südtiroler Bergen ist der italienische Film des Jahres: Oscar-Kandidat, mit sieben italienischen Filmpreisen ausgezeichnet und ein Publikumsliebling an der Kinokassa.

»VERMIGLIO hat mich verzaubert«

Jane Campion

1944. In Vermiglio, einem Bergdorf, in dem der Krieg ein ferner, aber allgegenwärtiger Horizont ist, bringt die Ankunft von Pietro, einem Soldaten, der vor dem Krieg flieht, die Dynamik der großen Familie des örtlichen Schulmeisters durcheinander und verändert sie für immer. Die Liebe zwischen Pietro und Lucia, der ältesten Tochter, führt zu einem unerwarteten Schicksal.

INHALT:

Die Boznerin Maura Delpero hat damit den Silbernen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig gewonnen

Alles begann mit einem Traum. Kurz nach dem Tod von Maura Delperos Vater erschien er ihr wiederholt im Traum. „Er war in das Haus seiner Kindheit zurückgekehrt, nach Vermiglio. Er war sechs Jahre alt und hatte die Beine eines Steinbocks. Er lächelte mich zahnlos an, und er trug diesen Film unter dem Arm.“

Vermiglio – der Name des Bergdorfs im Trentino mit heute knapp 1800 Einwohnern – ist nun auch der schlichte Titel des zweiten Spielfilms der Südtirolerin Delpero. Vor gut einem Jahr hatte er beim Filmfestival von Venedig seine Uraufführung und holte mit dem Großen Preis der Jury gleich einen Silbernen Löwen. Heuer sitzt Delpero selbst in der Jury.

Es ist diese persönliche emotionale Verbindung, die dem intimen Historiendrama seine Kraft gibt. „Vermiglio ist eine Seelenlandschaft, ein Akt der Liebe zu meinem Vater, seiner Familie und ihrem kleinen Dorf.“ Diese Verbindung musste sich die gebürtige Boznerin aber erst erarbeiten. Sie verbrachte viel Zeit im Haus ihrer Großeltern, studierte ihr Familienarchiv und führte Gespräche mit Einheimischen. Delpero spricht gar von einer „phylogenetischen Erinnerung“, die sie beim Drehbuchschreiben aktivierte.

Die Figuren gleichen Delperos Vorfahren. Ihr Großvater war der örtliche Lehrer, so wie Cesare, der als sanfter Patriarch im Zentrum von Vermiglio steht. Es ist ein leises Werk, das wird gleich in der ersten Szene klar. Eine schlafende Großfamilie lässt uns als Zuschauende sanft in diese vergangene Welt hinübergleiten – bis sich ein Baby bemerkbar macht und die tägliche Arbeit beginnt.

Die Erzählung nimmt am Vorabend des Kriegsendes im Winter 1944 ihren Ausgang und erstreckt sich über vier Jahreszeiten. Es ist „die Geschichte eines Krieges ohne Bomben oder große Schlachten“. Um einen starken Plot geht es Delpero nicht, eher um das Verknüpfen kleiner Fäden zu einem Seil.

Vermiglio ist kein Sozialdrama, auch wenn die ökonomischen und politischen Umstände das Tragische dieser Welt bestimmen. Der weit entfernte Krieg greift tief in die Lebensumstände der kleinen Leute ein. Doch statt einer Anklage webt die im Dokumentarfilm erprobte Regisseurin ein feines Geflecht, das einen mit dem Gefühl des Jahres 1944 umhüllt. Sinnliche Details wie der Geruch des Feuers oder die Kälte des Schnees werden spürbar. Und die Landschaft des Trentino liefert große, lichtdurchflutete Bilder, phänomenal eingefangen vom russischen Leviathan-Kameramann Mikhail Krichman.

Delpero legt es nicht auf Nostalgie an und vermeidet Historienkitsch. Immer wieder werden die strengen Moralvorstellungen und das krasse Geschlechterverhältnis deutlich. Stockkonservativer Katholizismus und ein uraltes Patriarchat prägen die Rollenbilder. Cesare ist eigentlich ein gutmütiger Feingeist mit einem Grammophon und Sinn für Poesie. Doch er kann nicht aus seiner strengen, dominanten Rolle heraus. Seine Frau Adele hat trotz Armut schon zehn Kinder geboren. Nicht alle überleben – von Familienplanung ist im christlichen Italien des Jahres 1944 keine Rede. Die vielen Kinder teilen sich die wenigen Betten. Sie alle zeichnet Delperos Drehbuch als eigenständige Persönlichkeiten, die ihre Rolle innerhalb dieser Ordnung finden müssen, gelähmt vom Druck ihrer Umgebung, aber ursprünglich wie Pasolini-Figuren.

Der vielstimmige Film legt seinen Fokus besonders auf die weibliche Perspektive und drei der Töchter: die fromme Ada, die kluge Flavia und Lucia, die älteste. Alle drei kämpfen an der Schwelle zum Erwachsenwerden mit inneren Konflikten und äußeren Autoritäten. Nur eine von ihnen kann nach Trento in die höhere Schule gehen. Lucia beginnt eine in sanften Gesten aufkeimende Romanze mit dem Soldaten Pietro. Die Folgen dieser Liebe bilden die deutlichste Handlung dieses mit vielen Auslassungen erzählten, überaus sensiblen Films. Pietro stammt aus Sizilien und ist desertiert, zusammen mit einem Mann aus dem Dorf. Die Alten im Wirtshaus meinen, „weglaufen sei feige“. Doch Cesare erwidert nur: „Wenn alle Feiglinge wären, gäbe es vielleicht keine Kriege mehr.“

(Marian Wilhelm in „DER STANDARD“)

 

DETAILS:

Schauspieler: Giuseppe De Domenico, Carlotta Gamba, Santiago Fondevilla, Tomasso Ragno uvm.
Regie: Maura Delpero
Genre: Drama
Dauer: 119 Min
Zulassung:  ab 14 Jahre
Land: Italien
Erscheinungsdatum: 2025

 

SPIELZEIT:

Freitag,          1. August           18.00 Uhr  (Saal 1)
Samstag,        2. August           18.15 Uhr  (Saal 2)
Sonntag,        3. August          20.00 Uhr  (Saal 2)
Dienstag,       5. August           18.00 Uhr  (Saal 1)