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Kino Katsdorf

RENTAL FAMILY

In RENTAL FAMILY spielt Brendan Fraser einen glücklosen amerikanischen Schauspieler in Tokio, der einen ungewöhnlichen Job bei einer japanischen “Leihfamilienagentur” annimmt.

RENTAL FAMILY spielt im heutigen Tokio und handelt von einem glücklosen amerikanischen Schauspieler – gespielt von Brendan Fraser –, der einen ungewöhnlichen Job annimmt: Er arbeitet als Ersatzfamilienmitglied bei einer japanischen “Leihfamilienagentur”. Als er in die Welt seiner Kunden eintaucht, baut er echte Verbindungen zu ihnen auf, die die Grenzen zwischen Schauspiel und Realität verschwimmen lassen. Durch die moralische Komplexität seiner Arbeit findet er seinen Lebenssinn wieder, erfährt Zugehörigkeit und erkennt die stille Schönheit menschlicher Beziehungen.

INHALT:

Es gibt eine stille Zärtlichkeit und verspielte Melancholie in Hikaris „Rental Family“, die viele Dramedys nur anstreben, aber selten erreichen. Wo andere Filme den plötzlichen Schwenk ins Tragische wagen, bleibt dieser erstaunlich konstant im Ton und zwar sanft, humorvoll, menschlich. Nach seiner Weltpremiere beim Toronto International Film Festival ist schnell klar geworden: „Rental Family“ ist einer jener leisen Publikumslieblinge, die man nicht in der Brust, sondern im Bauch spürt.

Der Film spielt in Tokio, einer Stadt, die hier weder als exotische Kulisse noch als melancholische Metapher dient, sondern als vibrierendes, zugleich anonymes Geflecht aus Routinen, Begegnungen und stiller Einsamkeit. Hikari interessiert sich nicht für den kulturellen Gegensatz zwischen Ost und West, sondern für die kleinen, stillen Berührungen zwischen Menschen, die aufhören, sich selbst zu spüren. Tokio ist nicht Ort der Entfremdung, sondern Bühne einer Sehnsucht, die global ist: nach Nähe, nach Bedeutung, nach jemandem, der hinsieht.

Brendan Fraser spielt Philip, einen abgehalfterten amerikanischen Schauspieler, der vor Jahren in Japan hängen geblieben ist. Einst hatte er Träume von großen Rollen, von Ruhm und Applaus, jetzt lebt er in einem kleinen Apartment, ernährt sich von Convenience-Store-Essen und tritt in absurden Zahnpastawerbespots auf. Der Glanz ist längst verblasst. Was bleibt, ist die Routine und eine wachsende Einsamkeit, die er selbst kaum noch bemerkt. Eines Tages erhält Philip ein merkwürdiges Jobangebot. Eine Castingagentur bittet ihn, als „trauernder Bruder“ bei einer Beerdigung zu erscheinen. Für ihn klingt das wie ein weiterer bizarrer Auftritt, eine harmlose Absurdität. Doch nach der Beerdigung bedankt sich die Witwe in Tränen bei ihm und er begreift: Diese Beerdigung war keine echte, sondern eine Inszenierung, arrangiert von einer „Rental Family“-Agentur. Hier kann man Menschen mieten, um emotionale Lücken zu füllen: Eltern für Kinder, Ehepartner für einsame Singles, Freunde für Hochzeiten.

Was als groteske Farce beginnt, entfaltet sich langsam zu einem berührenden Porträt über Einsamkeit und Empathie. Philip wird immer häufiger gebucht – als Vater, Kollege, Freund. Er spielt seine Rollen mit einer Ernsthaftigkeit, die über Schauspielerei hinausgeht. In diesen fremden Leben entdeckt er eine Art Sinn, den sein eigenes Dasein verloren hat. Und während er den Menschen um sich herum vorgaukelt, jemand zu sein, fängt er an, sich selbst wieder zu spüren. Hikari, die schon mit 37 Seconds eine außergewöhnlich sensible Beobachterin menschlicher Isolation war und das mit ihrer Regiearbeit in der Netflix-Serie Beef weiter ausbaute, erzählt diese Geschichte mit einem seltenen Gespür für Zwischentöne. Rental Family ist kein Kommentar über kulturelle Fremdheit, sondern über emotionale Universalität. Die Kamera beobachtet ruhig, fast liebevoll, wie ihre Figuren in den Übergangszonen des Alltags existieren – an Bushaltestellen, in winzigen Küchen, auf schmalen Treppen, in Augenblicken, in denen nichts passiert und doch alles spürbar ist.

Brendan Fraser ist für diese Rolle eine Idealbesetzung. Nach seinem oscarprämierten Comeback in The Whale könnte man erwarten, dass er wieder Pathos und Tränen sucht. Stattdessen spielt er hier mit entwaffnender Zurückhaltung. Seine Sanftheit, seine leise Unsicherheit, die ständige Mischung aus Scham und Neugier: All das macht seinen Philip zu einer zutiefst menschlichen Figur. Fraser trägt den Film, aber er drängt sich nie in den Vordergrund. Selbst in den komischen Momenten, etwa wenn er als „Fake-Ehemann“ auf einem Familienfest improvisieren muss, bleibt sein Spiel in der Schwebe zwischen Humor und Schmerz. Besonders berührend ist seine Beziehung zu der kleinen Mia (Shannon Mahina Gorman), einem Mädchen, das ihn für ihren echten Vater hält. Zwischen ihnen entsteht etwas, das mehr ist als ein Rollenspiel. Hikari filmt diese Szenen mit einer Sanftheit, die fast schmerzt: zwei Menschen, die beide wissen, dass alles, was sie teilen, geliehen ist und sich dennoch aufrichtig darin verlieren. Hier erreicht der Film jene magische Zone, in der Inszenierung und Echtheit ununterscheidbar werden.

Das Drehbuch von Hikari und Stephen Blahut bleibt zurückhaltend, fast bescheiden. Es verzichtet auf große emotionale Explosionen und vertraut stattdessen auf den leisen Wandel der Figuren. Wie in den besten Filmen von Hirokazu Kore-eda oder Naomi Kawase liegt die Kraft im Alltäglichen, in Gesten, Pausen, Blicken. Auch visuell setzt Hikari auf eine natürliche, warme Farbpalette. Kameramann Stephen Blahut fängt Tokio als Stadt der Zwischenräume ein. Der Film ist weder grell noch mystisch, sondern lebendig und verletzlich zugleich. Die Räume, in denen Philip arbeitet, sind eng, oft überfüllt mit Objekten, Erinnerungen, Dingen, die andere hinterlassen haben. Alles wirkt bewohnt, aber leer. Der Kontrast zwischen Enge und Einsamkeit, zwischen Fülle und innerer Leere, wird zum stillen Leitmotiv des Films.

Jon Thor Birgissons und Alex Somers’ Score legt sich wie ein atmender Nebel über die Bilder. Seine sphärischen Klänge wirken mal wie Trost, mal wie eine ferne Erinnerung an etwas, das nie ganz da war. Manchmal droht der Score ins Sentimentale zu kippen, doch Hikari weiß genau, wann sie ihn verstummen lassen muss. Dann übernehmen die Geräusche der Stadt, das Klappern der Rolltreppe, das Summen der Klimaanlagen, das Rascheln von Papier und werden selbst zu emotionalen Signalen. Was Rental Family so besonders macht, ist sein unaufgeregtes Vertrauen in die Menschlichkeit seiner Figuren. Es gibt keine Bösewichte, keine zynischen Wendungen. Selbst die Menschen, die Philip bezahlen, erscheinen nicht als moralisch fragwürdig, sondern als verletzlich: Menschen, die sich nicht trauen, ihre Sehnsucht offen zu zeigen. Der Film urteilt nicht, er versteht.

Man könnte dem Film vorwerfen, er sei zu sanft, zu harmonisch, zu sehr auf emotionale Resonanz bedacht. Doch genau darin liegt seine Stärke. Hikari inszeniert keine großen Wahrheiten, sondern viele kleine. Sie zeigt, dass Nähe manchmal gespielt werden muss, um sich echt anzufühlen. Dass selbst eine gekaufte Umarmung trösten kann. Und dass Wahrheit im Kino – wie im Leben – oft dort entsteht, wo wir am meisten schauspielern.

Damit ist Rental Family ist ein stiller, berührender Film über das Paradox unserer Zeit: dass wir uns nach Nähe sehnen und sie gleichzeitig scheuen. Hikari erzählt mit Humor, Leichtigkeit und enormem Einfühlungsvermögen von einer Welt, in der alles eine Rolle ist und dennoch jedes Gefühl zählt. Brendan Fraser beweist einmal mehr, dass die stärksten Auftritte nicht die lauten sind, sondern die, die uns ganz leise an das erinnern, was uns menschlich macht.

(aus „Kino-Zeit“)

 

DETAILS:

Schauspieler: Brendan Fraser, Takehiro Hira, Mari Yamamoto, Shannon Mahina Gorman, Akira Emoto, Paolo Andrea Di Pietro
Regie: Hikari
Genre: herzergreifende Lebensgeschichte
Dauer: 110 Min
Zulassung:  ab 6 Jahre
Land: Deutschland,  USA
Erscheinungsdatum: 2025

 

SPIELZEIT:

Dienstag,         30. Dezember          18.00 Uhr  (Saal 2)
Dienstag,         30. Dezember         20.00 Uhr  (Saal 2)