Spanien 1935: Der junge Lehrer Antoni Benaiges (Enric Auquer) übernimmt kurz vor Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs die Grundschule eines kleinen, abgelegenen Dorfes in der Provinz Burgos. Dank seiner fortschrittlichen, antiautoritären Unterrichtsmethoden baut er schnell eine vertrauensvolle Beziehung zu seiner Klasse auf. Doch der freundschaftliche Umgang mit den Kindern wird von Eltern und Dorfvorstehern argwöhnisch beobachtet. Und dann gibt Benaiges seinen Schülern ein Versprechen: In den Sommerferien will er ihnen das Meer zeigen, das die Kinder noch nie gesehen haben. Bei den Eltern der Kinder stößt diese Idee auf große Skepsis… 75 Jahre später, im Jahr 2010, recherchiert Ariadna (Laia Costa), die Enkelin eines seiner damaligen Schüler, die bewegende Geschichte von Antoni Benaiges und entdeckt dabei, mit welch großen Widerständen dieser charismatische Mann zu kämpfen hatte.
Neben den Eltern sind Lehrerinnen und Lehrer die wohl prägendsten Personen im Leben junger Menschen. Im Mindest-Fall vermitteln sie für das Leben elementares Wissen, im besten Fall eröffnen sie ganz neue Perspektiven, Denkweisen, Möglichkeiten, befeuern den Geist, das Selbstbewusstsein und die Herausbildung der eigenen Identität. In diese Kategorie Lehrer fällt die Hauptfigur der spanischen Produktion „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“.
Regisseurin Patricia Font und das Autorenduo Francesco Escribano und Albert Val verorten ihre Geschichte zur einen Hälfte in der Gegenwart, zur anderen in der Vergangenheit. In ersterer ist die junge Mutter Ariadna (Laia Costa) auf der Suche nach den verschollenen sterblichen Überresten ihres Urgroßvaters, um ihrem Großvater, der im Seniorenheim auf das Ende seines Lebens zusteuert, einen letzten Gefallen zu erweisen. Sie vermutet die Leiche in einem der hunderten Massengräber, die infolge der Machtübernahme von Francos Faschisten 1936 entstanden sind und gerade ausgehoben, untersucht und katalogisiert werden. Womit der Film die Brücke in die Vergangenheit baut.
Die darin handelnden Passagen, die durch eine deutlich wärme Farbgestaltung visuell von der Gegenwartserzählung abgegrenzt werden, bilden das Herzstück des Films. Im Mittelpunkt: Antonio Benaiges (Enic Auquer), der 1935 in einem abgelegenen spanischen Dorf als Lehrer anfängt. Und mit seinen unkonventionellen Methoden schnell auf Gegenwind der konservativen Erwachsenen, insbesondere beim örtlichen Priester stößt, mit dem er es sich sofort verscherzt, weil Antonio als Allererstes das Kreuz im Schulzimmer abhängt.
Die Kinder hingegen blühen regelrecht auf: Antonio arbeitet nicht (nur) den vorgesehenen Stoff ab, bringt den letzten Analphabeten Lesen und Schreiben bei, sondern fördert seine Schülerinnen und Schüler in dem, was sie können und lieben. Er bestärkt sie darin, selbstständig zu denken, über den Tellerrand zu blicken, und installiert sogar eine kleine Druckerpresse, mit deren Hilfe die Klasse eigene Hefte zu selbst ausgesuchten Themen herstellt. All dies gipfelt im Versprechen eines Klassenausfluges ans Meer – dorthin, wo noch keines der Kinder war. Es könnte alles so schön sein, wäre da nicht der aufkommende Faschismus, der wie eine düstere Gewitterwolke am Horizont aufzieht.
Abseits der Plot-Zweiteilung verläuft Der Lehrer, der uns das Meer versprach – entgegen seiner Titelfigur – in recht konventionellen Bahnen, ist solide und wartet mit guten Schauspielleistungen auf. Das Herz des Films schlägt ganz klar in der Geschichte über einen Idealisten und Humanisten, von denen es in politisch finsteren Zeiten umso mehr braucht.
Die Verknüpfung mit der Gegenwart zeigt einerseits, dass das geistige Erbe solcher Persönlichkeiten weiterleben kann, dass ihre Mühen nicht vergebens sind, auch wenn ihre Ambitionen zu ihren Lebzeiten scheitern und repressive Kräfte sie aus der Geschichte tilgen wollen – und zwar in den Menschen, die sie geprägt und geformt haben, denen sie ein Vorbild waren. Andererseits machen die Bilder der Massengräber von den Opfern des Faschismus deutlich, dass, auch wenn hier ein Einzelschicksal beleuchtet wird, Antonio kein Einzelfall war. Vielmehr steht er stellvertretend für Tausende andere, die dem Faschismus zum Opfer gefallen sind. Der Lehrer, der uns das Meer versprach ist ein inspirierender Film über die Freiheit des Geistes, über den von Immanuel Kant geforderten Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Erst recht dann, wenn andere es nicht tun.
(aus „Kino-Zeit“)
Schauspieler: Enric Auquer, Laia Costa, Luisa Gavasa
Regie: Patricia Font
Genre: Drama, Geschichte
Dauer: 110 Min
Zulassung: ab 10 Jahre
Land: Spanien
Erscheinungsdatum: 2024
Freitag, 25. April 18.00 Uhr (Saal 2)