Schauplatz ist die verschlafene, kleine Gemeinde Paimpont in der Bretagne. Der naiv-selbstdarstellerische Bürgermeister (Jean-Charles Clichet) will etwas fürs Image tun (das eigene und das des Ortes) und hat sich zur Aufnahme einer geflüchteten Familien aus der Ukraine bereiterklärt – natürlich begleitet von einem TV-Kamerateam. Federführend bei dieser Aktion ist die Grundschullehrerin Joëlle Lesourd (Julie Delpy, die auch die Regie verantwortet und am Drehbuch beteiligt war). Alles ist schon vorbereitet, da muss sie dem Stadtoberhaupt eine schlechte Nachricht überbringen: keine Ukrainer für Paimpont, die seien „sehr gefragt auf dem Flüchtlingsmarkt“, alle schon woanders untergekommen. Aber eine Familie aus Syrien, die könnte doch einspringen. Besser als nichts.
Also wird die bereits gehisste ukrainisch Flagge wieder eingezogen, außerdem Selenskis Konterfei in der Unterkunft durch ein Zahnarztpraxis-Ölgemälde ersetzt sowie ein Dolmetscher für die Ankunft der sechsköpfigen Familie organisiert. Den aber braucht es gar nicht: Englisch- und sogar ein paar Französischkenntnisse sind unter den Fayads vorhanden. An ihrem neuen Wohnhaus angekommen, wird die Familie allerdings direkt mit einem rassistischen Graffito begrüßt.
Statt in Gänze integrationswillig oder -unwillig zu sein, spiegeln die Fayads in ihren unterschiedlichen Ansichten über ihre neue Situation ein überaus vielfältiges Bild wider. Louna (Dalia Naous) will möglichst schnell wieder arbeiten, egal was, um nicht von Almosen abhängig zu sein, und kommt beim örtliche Alt-Hippie Yves (Albert Delpy) als Erntehelferin unter. Ihr Mann Marwan (Ziad Bakri) hingegen weigert sich lange, einem anderen Job nachzugehen als dem, den er gelernt hat: Architekt. Die jugendliche Dina kommt schnell an, macht sich Freunde und sogar einen Verehrer, ihr kleiner Bruder Wael zieht sich jedoch zurück und trauert seinem zurückgelassenen Onkel nach. Und Marwans Vater Hassan (Fares Helou) beschwert sich nur zu gern über die barbarische Kulinarik im örtlichen Gasthaus, öffnet sich dem kleinen Örtchen aber bald.
An dieser Stelle gehen Delpy und ihre Co-Autoren Matthieu Rumani und Nicolas Slomka mit viel Ambivalenz und Feingefühl zur Sache – anders als bei den Einheimischen, die sie als klare, aber niemals überzogene Klischees zeichnen. Joëlles beste Freundin Anne (Sandrine Kiberlain) greift etwa liebend gern zur Flasche. Der Klempner Hervé Riou (Laurent Lafitte) wird als Dorfrassist mit einem Faible für antisemitische Verschwörungstheorien zunehmend zum Antagonisten und befeuert die Spannungen innerhalb der Gemeinschaft durch eine Petition gegen die Fayads. Aber auch mit ihrer eigenen Figur, die auf der anderen Seite des politischen Spektrums steht, geht Delpy ins Gericht: Joëlle ist ihrem Gutmenschentum derart überambitioniert, dass sie auch die ein oder andere (vor allem rechtliche) Grenze überschreitet. Und kommt schlussendlich zur Erkenntnis, dass man Menschen in Not nicht durch eine sensible Wortwahl hilft, sondern nur durch handfeste Taten.
Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne will als luftige Culture-Clash-Komödie ein Plädoyer für ein harmonisches Miteinander, für das Überwinden von Ressentiments und Vorurteilen sein. Und bedient sich dafür der etwas überstrapazierten (aber deshalb keinesfalls falschen) Erkenntnis, dass dies nur möglich wird, wenn Berührungsängste abgebaut werden, man in direkten Kontakt mit dem vermeintlich Anderen tritt. Mancher Konflikt löst sich dabei zwar in Wohlgefallen auf, dennoch findet die Handlung einen runden Abschluss. Spätestens nach dem ist klar, dass mit den titelgebenden Barbaren nicht die Fayads gemeint sind, sondern die Einheimischen, unter denen es kleinkarierte Konflikte, Ehebruch, Akoholexzesse und andere Dinge gibt, die zum Überdenken von Aussagen wie „Die sollen sich hier mal integrieren“ anregen.
aus (Kino-Zeit)